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von Schwejk » Do 21. Mai 2020, 13:04
Der Autor bezieht in seine bereits vorliegende Studie "Die Grenzen der Grundfreiheiten", in der er die Rechtsprechung des EuGH untersucht, nun dieses aktuelle Urteil des BVerfG ein.
Ohne gezz aus juristischer Laiensicht eine fachwissenschaftliche Bewertung seiner Argumentation mir anzumaßen - Gegenauffassungen aus Fachkreisen sind ja zur Genüge vorhanden ("andere Autoren neigen hingegen zu einer gegenteiligen Auffassung"; wie auch anders? ), sei jedoch anzumerken:
Der in diesem Artikel zum Ausdruck kommende Ansatz läßt sich unschwer verorten im sich aktuell herausgebildeten gesellschaftlichen Kräftefeld zwischen Politik und ihren Kontrollorganen, v.a. Medien und Justiz.
Daß sich im Zuge eines (nicht nur) europaweiten politischen Klimawandels zugunsten des Vordringens nationalkonservativer und rechtspopulistischer Positionen die Wirkkraft der "neuen Achse des Autoritären" (Sloterdijk spricht von einer "Übernahme der asiatischen Form einer amiablen Diktatur“ im Zuge eines Umbaus der Gesellschaften im Sinne des autoritären Kapitalismus) auch das Verhältnis von Legislative und Judikative nicht unberührt läßt, dürfte unstreitig sein. Gottlob halten sich auf bundesrepublikanischer Ebene die partikularinteressengeleiteten Attacken auf das nationale höchstrichterliche verfassungsrechtliche Entscheidungsgremium, das BVerfG, noch im Rahmen. Die Unabhängigkeit der Richter und die Autonomie des BVerfG (ebenso wie die Pressefreiheit) scheinen noch hinreichend rechtsstaatlich verankert zu sein.
Dieser Befund trifft leider nicht mehr auf alle Mitgliedsländer der EU zu, betrachtet man die Staaten, die jener autoritären Achse zuzurechnen sind. Genau jene haben ein Interesse daran, nicht nur das eigene Justizsystem aus seiner rechtsstaatlich geforderten Unabhängigkeit herauszulösen, sondern auch sich frei zu halten von europaintegrativen Imperativen. Bevorzugtes Angriffsziel ist – logo - der EuGH.
Dies ist jedoch keine neu eingeführte Perspektive. Sie ergibt sich ja bereits aus dem Verlauf dieses Freds, jedoch schien es mir nötig zu sein, auch diesen Artikel politologisch einzuordnen. Schließlich hat noch jedes (partikuläre) Interesse seine – auch und vor allem juristische – Begründung gefunden.
In jedem Falle aber spiegelt auch dieser Artikel die aktuelle Krise der EU wider und ist gleichzeitig ihr Symptom.
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